Geschichte: Der König und seine drei Söhne
Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne. Als er alt wurde, wollte er einen von ihnen zu seinem Nachfolger bestellen. Er versammelte die Weisen des Landes und rief seine Söhne herbei. Er gab jedem fünf Silberstücke und sagte: „Ihr sollt für dieses Geld die Halle in unserem Schloss bis zum Abend füllen. Womit, ist eure Sache.“ Die Weisen sagten: „Das ist eine gute Aufgabe.“
Der älteste Sohn ging davon und kam an einem Feld vorbei, wo die Arbeiter dabei waren, das Zuckerrohr zu ernten und in einer Mühle auszupressen. Das ausgepresste Zuckerrohr lag nutzlos umher. Er dachte sich: „Das ist eine gute Gelegenheit, mit diesem nutzlosen Zeug die Halle meines Vaters zu füllen.“ Mit dem Aufseher der Arbeiter wurde er einig, und sie schafften bis zum Nachmittag das ausgedroschene Zuckerrohr in die Halle. Als sie gefüllt war, ging er zu seinem Vater und sagte: „Ich habe deine Aufgabe erfüllt. Auf meine Brüder brauchst du nicht mehr zu warten. Mach mich zu deinem Nachfolger.“ Der Vater antwortete: „Es ist noch nicht Abend. Ich werde warten.“
Nun kam der mittlere Sohn. Er hatte für das Geld flaumige Federn besorgt. „Sie sind leicht,“ dachte er, „und doch groß. Damit ist der Raum schnell gefüllt.“ Das Zuckerrohr wurde aus dem Raum entfernt und die Federn hinein gefüllt. Als die Halle gefüllt war, ging er zu seinem Vater und sagte: „Ich habe deine Aufgabe erfüllt. Auf meinen Bruder brauchst du nicht mehr zu warten. Mach mich zu deinem Nachfolger.“ Der Vater antwortete: „Es ist noch nicht Abend. Ich werde warten.“
Bald darauf kam auch der jüngste Sohn. Er bat darum, die Federn wieder aus der Halle zu entfernen. So geschah es. Dann stellte er mitten in die Halle eine Kerze und zündete sie an. Ihr Schein füllte die Halle bis in die letzte Ecke hinein.
Der Vater sagte: „Du sollst mein Nachfolger sein. Deine Brüder haben fünf Silberstücke ausgegeben, um die Halle mit nutzlosem Zeug zu füllen. Du hast nicht einmal ein Silberstück gebraucht und hast sie mit Licht erfüllt. Du hast sie mit dem gefüllt, was die Menschen brauchen.”
(nach einem Märchen von den Philippinen)
„Du hast sie mit dem gefüllt, was die Menschen brauchen!“ Was wir Menschen brauchen, sehen wir im Advent und Weihnachten an den vielen kleinen Lichtern, auf den Straßen, an den Häusern, in den Fenstern, auf den Christbäumen, steigenden Energiepreisen zu trotz!
Wir brauchen Licht, um sichere Schritte setzen zu können, wir brauchen Licht, um Angst überwinden zu können, wir brauchen Licht in unseren Augen und Herzen, um hoffnungsvolle und zuversichtliche Menschen sein zu können. Deswegen packen wir jedes Jahr im Advent die Lichter aus und schmücken und beleuchten was gerade geht. Die vom Krieg geplagten Menschen in der Ukraine können es dieses Jahr nicht tun. Sie sitzen heute Abend im Dunkeln und kämpfen und hoffen, dass eines Tages das hoffnungsvolle Jesaja-Wort, das wir gerade in der Lesung gehört haben, auch für sie wieder wahr werden kann: Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht, über denen, die im Land des Todesschattens wohnen, strahlte ein Licht auf.
Wir Menschen brauchen Licht und meinen damit Hoffnung, wir sprechen vom Licht und meinen den Erlöser, das Jesus-Kind, dessen Name ins Deutsche übersetzt „Gott rettet“, heißt. Vom Kommen Gottes in die Welt ergriffen schufen Paul Gerhard und Johann Sebastian Bach ein wunderbares Lied, dass Sie alle von Kindesbeinen an kennen: „Ich steh an deiner Krippe hier, o Jesu, du mein Leben. Ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben“. Wir werden es in diesen Tagen in den Gottesdiensten singen und auch im Fernsehen hören. Für Gerhard und Bach war dieses Lied Ausdruck ihrer Liebe und ihrer Hingabe an das Wunder, das an Weihnachten gefeiert wird. Gott wird Mensch, kommt in die Niederungen menschlichen Dasein, auf die Ebene derer, die klein und gering geachtet werden, auf die Ebene derer, die am Rande der Gesellschaft leben und arbeiten, ihnen will er besonders nahe sein.
Er kommt in die Welt, aber nicht bloß um mit uns zu sein, vielmehr soll der Kleine und Geringe groß werden, ihm soll bewusst werden, das er Ebenbild Gottes ist. Mit Weihnachten kommt so Licht in die Dunkelheiten und Sackgassen unseres Lebens. Gott wird Mensch und richtet den Menschen auf. Das ist die Botschaft, das Licht, das von Weihnachten ausgeht. Und diese muss weitergetragen werden.
Die vielen kleinen Lichter draußen in den Straßen könnten ja auch so gedeutet werden, dass sie ein Bild für uns Christen sind, die das Licht von Betlehem weiter in die Welt und in den Alltag tragen. Zumindest erinnern sie uns daran, dass jeder einzelne von uns ein Licht sein kann und dass dieses Licht gebraucht wird, um die große Halle, d.h., die Welt in der wir leben, mit Licht zu füllen. So gut wir können. Eine Kerze, ein kleines Licht, ist auch ein Licht, und täuschen wir uns nicht, es wirkt, und es wird gebraucht, heute gebraucht, in unseren Beziehungen, Familien, in unseren Gemeinden. Hören wir nicht auf, es immer wieder neu und kreativ zu versuchen, Licht zu sein, wie der jüngste Sohn in der Geschichte… Weihnachten lädt dazu ein.
Msgr. Dr. Alexander Hoffmann,